
Wie entsteht Parfüm? Herstellung, Geschichte & Duftkunst im Überblick
Warum tragen wir Parfüm?
Parfüm begleitet unseren Alltag – ob bewusst gewählt oder instinktiv aufgetragen. Für viele ist es ein tägliches Ritual, ein unsichtbares Accessoire, das die eigene Stimmung unterstreicht, Erinnerungen weckt oder einfach nur gepflegt wirken lässt. Manche nutzen es, um sich abzuheben, andere, um sich selbst näherzukommen. Doch was genau steckt eigentlich hinter diesem kleinen Flakon, den wir oft so beiläufig benutzen?
Ein Blick in die Geschichte: Die Anfänge der Duftkunst
Lange bevor es moderne Parfümerien gab, war die Duftkunst ein bedeutender Bestandteil kultureller Rituale. Bereits die Hochkulturen Ägyptens, Mesopotamiens, Indiens und Persiens nutzten Öle, Harze, Blüten und Kräuter – nicht nur zur Körperpflege, sondern auch für religiöse Zeremonien oder zur Beduftung von Räumen. Die Duftstoffe wurden dabei meist in Fetten oder Ölen gelöst. Pflanzen wie Rose, Myrrhe oder Sandelholz wurden durch Mazeration, Räuchern oder Einlegen in Öl nutzbar gemacht. Auch die Räuchertradition mit Harzen und Hölzern war weit verbreitet – in Tempeln ebenso wie in privaten Haushalten.
Wie Duftstoffe gewonnen werden
Die Gewinnung der Duftstoffe – also das Extrahieren der flüchtigen Moleküle aus natürlichen Rohstoffen – ist ein komplexer Prozess. Über Jahrhunderte wurden unterschiedliche Verfahren entwickelt, die je nach Pflanze, Blüte oder Harz zum Einsatz kommen:
- Expression: Eine Methode speziell für Zitrusfrüchte. Hierbei wird die Schale mechanisch ausgepresst, um das ätherische Öl zu gewinnen – z. B. bei Bergamotte oder Grapefruit.
- Mazeration: Pflanzenteile werden in warmem Öl eingelegt, um ihre Duftstoffe zu lösen. Diese Technik ist heute kaum noch gebräuchlich.
- Enfleurage: Ein altes, fast ausgestorbenes Verfahren, bei dem frische Blüten auf eine Schicht Fett gelegt werden. Das Fett saugt über Tage die ätherischen Öle auf und wird später mit Alkohol ausgewaschen.
- Destillation: Eine der ältesten Methoden – dabei werden Pflanzen mit Dampf behandelt, um die flüchtigen Duftstoffe zu lösen. Bis heute ist sie z. B. bei der Herstellung von Rosenöl weit verbreitet.
- Lösungsmittel-Extraktion: Hierbei werden Pflanzen mit Lösungsmitteln wie Hexan behandelt. Nach dem Verdampfen bleibt ein wachsartiger Stoff (concrète), aus dem durch Alkohol ein Absolue gewonnen wird.
- Molekülsynthese: In modernen Labors können Duftstoffe heute naturidentisch oder komplett neuartig synthetisiert werden. Das ermöglicht Parfümeuren kreative Freiheit – und ersetzt seltene oder geschützte Rohstoffe.
- CO₂-Extraktion (Softact®): Bei diesem innovativen Verfahren wird CO₂ unter Druck als Lösungsmittel eingesetzt. Es ermöglicht besonders sanfte Extraktionen z. B. von Gewürzen oder getrockneten Stoffen – mit hoher Reinheit.
Die Rohstoffe der Parfümerie
Parfüms bestehen aus einer Vielzahl von Rohstoffen – pflanzlich, tierisch oder synthetisch. Zu den wichtigsten natürlichen Zutaten zählen Blüten, Rinden, Hölzer, Harze, Gewürze und Früchte. Besonders begehrt sind z. B. Jasmin, Iris, Sandelholz, Zimt, Myrrhe oder Vetiver. Manche große Dufthäuser besitzen eigene Felder, um sich stabile Lieferketten und gleichbleibende Qualität zu sichern.
Tierische Rohstoffe wie Ambergris (aus dem Verdauungssystem von Pottwalen), Moschus oder Zibet wurden früher häufig verwendet, sind heute aber aus ethischen Gründen meist durch synthetische Alternativen ersetzt. Auch klassische Ingredienzen wie Eichenmoos werden inzwischen oft als synthetische Varianten eingesetzt – unter anderem wegen Allergenerlassen in der EU.
Die Kunst der Komposition
Das Herz eines jeden Parfüms ist seine Komposition – der kreative Akt, bei dem einzelne Duftbausteine zu einem harmonischen Ganzen verbunden werden. Verantwortlich dafür ist der Parfümeur, auch „Nase“ genannt. Diese Experten besitzen ein hochsensibles Geruchsgedächtnis und fundiertes Wissen über Rohstoffe, ihre Eigenschaften und ihr Zusammenspiel.
Die Entwicklung eines neuen Parfüms kann Monate bis Jahre dauern. Hunderte Duftnoten werden kombiniert, verworfen und feinjustiert, bis die endgültige Formel steht. Anschließend wird das konzentrierte Duftöl mit Alkohol verdünnt. Die Dosierung entscheidet über die spätere Intensität:
- Extrait de Parfum: 20–30 % Duftöl, sehr intensiv, langanhaltend
- Eau de Parfum: ca. 15–20 %, meist ausgewogene Balance
- Eau de Toilette: ca. 5–15 %, leichter und frischer
- Eau de Cologne: bis 5 %, sehr leicht, oft für den Sommer
Der Reifeprozess: Geduld für den perfekten Duft
Nach dem Mischen ruht das Parfüm für eine gewisse Zeit – dieser sogenannte Reife- oder Alterungsprozess ist entscheidend, damit sich alle Duftmoleküle optimal miteinander verbinden. Je nach Formel und Parfümhaus dauert dieser Schritt von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. Erst nach dieser Phase entfaltet das Parfüm seinen wahren Charakter – und wird anschließend gefiltert und abgefüllt.
Fazit: Duft ist Handwerk und Kunst zugleich
Ein Parfüm ist weit mehr als nur ein wohlriechendes Accessoire. Es ist das Ergebnis eines fein abgestimmten Zusammenspiels aus Natur, Chemie und künstlerischem Gespür. Von der Pflanze bis zum fertigen Flakon steckt hinter jedem Duft ein oft jahrelanger Entwicklungsprozess. Wer das versteht, trägt Parfüm nicht nur – er erlebt es.